Dr. Gebele, Herr Andreas und die
Psychotherapeutinnen Sabine, Katrin und Annegret sprechen über Märchen.
Wir lernen etwas über Entwicklungspsychologie, dissoziative Störungen,
familiäre Beziehungen und innere Konflikte. Außerdem geht es um Zwerge,
Bären, Kirschen, Küsse und Gold.
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Film- und Seriencharaktere auf der Psychoanalyse-Couch
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Die Nibelungen auf der Couch
Ich weiß, dass dieser Podcast schon viereinhalb Jahre alt ist. Trotzdem, vielleicht gibt’s ja noch andere wie mich, die ihn erst jetzt oder noch später hören? Daher möchte ich ein paar Bemerkungen dalassen:
1. Die Schneekönigin: Die Großmutter wird am Ende sehr wohl erwähnt:
„Die Großmutter saß in Gottes hellem Sonnenschein und las laut aus der Bibel: ‚Werdet ihr nicht wie die Kinder, so werdet ihr das Reich Gottes nicht erben!‘
Und Kay und Gerda sahen einander in die Augen, und sie verstanden auf einmal den alten Gesang:
‚Rosen, die blühn und verwehen;
Wir werden das Christkindlein sehen!'“
Komischerweise hatte ich das schon als (atheistisch erzogenes!) Kind so verstanden, dass sie tot ist, also jetzt „im Himmel“ („in Gottes hellem Sonnenschein“), in Verbindung damit, dass sie auf einmal den alten Gesang verstanden, dass sie nämlich das Christkindlein sehen werden (also ins ewige Leben eingehen?). Kann man natürlich auch ganz anders verstehen, aber dass die Stadt noch genauso aussieht wie damals, steht dort nicht, nur die Stube der Großmutter tut das. Klar, wer sollte auch ummöbliert haben? Aber das ist ja auch in der Heldenreise so: Am Ende kehrt der Held in seine Realität zurück, die sich nicht verändert hat, nur er hat sich verändert – und kann nun (hoffentlich) selbst etwas ändern.
2. Das Blaue Licht: Dr, Niklas sagte: „Wenn Andersen das geschrieben hätte …“ Aber der hat’s geschrieben! Es heißt „Das Feuerzeug“. Die Details unterscheiden sich zwar, so haben wir statt des schwarzen Männleins drei riesige Hunde, doch die Aussage ist dieselbe wie bei den Grimms. Nur macht nicht der König den Soldaten zu seinem Nachfolger, sondern das Volk! 🙂
3. Rotkäppchen: Ich beschäftige mich sehr eingehend mit Märchen aus den verschiedensten Quellen (z. B. Aschenputtel, bei Bechstein „Aschenbrödel“, bei Perrault ohne Vögel, aber mit zauberkundiger Tante plus obligatorischem Moralsprüchlein am Ende; in der irischen Version „Móirín“) und deren Interpretationen … und mache mir so meine eigenen (und eigenwilligen) Gedanken dazu. Gerade Rotkäppchen (und auch Rapunzel) habe ich ketzerischerweise ein wenig umgeschrieben. Wen meine Version & Interpretation interessiert, hier der zentrale Absatz:
Der Wolf aber ist das wilde Tier in uns, eine animalische Kraft, die uns in unser eigenes Leben führen kann, wenn wir unsere dumme Angst vor ihr ablegen. Der Wolf will Rotkäppchen vom Weg abbringen, jawohl, nämlich vom ausgetrampelten Weg, der nicht ihrer ist. Er will ihr den Wald zeigen, die Tiefen ihrer eigenen Seele, will ihr Seelenführer sein, ihr Krafttier, ohne das sie freilich in diesen Tiefen umkommen könnte. Damit sie am Ende auf der anderen Seite des Waldes in die Welt hinausgehen und ihren eigenen Weg finden kann.
Der ganze Text (ziemlich kurz) findet sich in meinem alten Blog magaluisa.blogspot.com.